Wunderbares Çanakkale – ein strategischer Ort der Geschichte

Nur wenige Orte auf diesem Planeten sind von so großer kultureller Bedeutung wie das türkische Çanakkale und nur wenige Orte können sich in ihrer Schönheit daran messen. Dieser Seehafen ist nämlich das Tor zu den Dardanellen, die in der Antike als Hellespont bekannt waren und mit ihrer Länge von 61 Kilometern – damals wie heute – eine Wasserstraße von größter strategischer Bedeutung sind, da sie die Ägäis mit dem Marmarameer und damit auch Europa mit Asien verbinden. Neben dem Bosporus ist dies die zweite legendäre Wasserstraße der Türkei. Und es gibt keinen besseren oder eindrucksvolleren Weg, um sie zu entdecken, als auf dem Seeweg: Wenn Sie die Dardanellen in Richtung ihrer engsten Stelle am Seehafen von Çanakkale durchqueren, passieren Sie die sagenumwobene Troas (die Halbinsel Biga), an der sich auf der Ostseite des Schiffes (also auf der Steuerbordseite) das antike Troja befindet und auf der Westseite (also auf der Backbordseite) die Halbinsel Gelibolu (oder Gallipoli), auf der im Ersten Weltkrieg die berühmte Schlacht von Gallipoli ausgetragen wurde. Schon lange gehören hier, wo heute eine idyllische mediterrane Brise weht, Belagerungen und verschiedene Heldentaten der Vergangenheit an, doch noch immer werden diese sagenumwobenen Gestade Ihre Fantasie beflügeln.

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Die Kordon-Promenade

Der Flügelschlag der Geschichte mit all ihren Kontrasten umweht Sie, wenn Sie in das moderne Çanakkale einfahren, wo Sie vom Schiff aus eine originalgetreue Nachbildung des berühmten Trojanischen Pferdes an der von Yachten gesäumten Uferpromenade Kordon sehen. Es ist die originale Nachbildung aus Wolfgang Petersens Filmepos Troja von 2004, in dem Brad Pitt den Krieger Achilles verkörperte. Die Stadt Çanakkale selbst hat ihr eigenes Wahrzeichen, den fünfstöckigen Saat Kulesi, einen osmanischen Glockenturm, der 1897 (von einem italienischen Konsul!) In der Nähe des Hafens erbaut wurde. Das Gewirr von Kopfsteinpflasterstraßen im Stadtzentrum pulsiert mit modernen Restaurants und Cafés. Zu den besten von ihnen zählt das Yali Hani, ein Teegarten und eine Bar im charmanten Innenhof einer Karawanserei (eines alten ummauerten Gasthofes, in dem Reisende sicher nächtigen konnten) aus dem 19. Jahrhundert. Probieren Sie einige der lokalen Meeresfrüchte wie zum Beispiel das preiswerte Sardalya, ein bekanntes Sardinengericht, oder Balik Ekmek, die ortstypische Variante eines Fischbrötchens. Besuchen Sie auch den Basar von Çanakkale, um ein wenig in den bekannten lokalen Keramiken zu stöbern, oder sehen Sie sich bei Kepenek Keramik um, wo Sie eher außergewöhnliche Designs finden (die kleinen Trojanischen Pferde auf Rädern sind perfekte Mitbringsel!). Zurück am Kordon haben Sie auch Gelegenheit, im raffinierten Café du Port mit seiner Glasfront ein großartiges Mittagessen zu genießen.

Die Festung Çimenlik Kalesi

Auch wenn Çanakkale eine pulsierende Universitätsstadt ist, kann man die Spuren seiner bewegten Vergangenheit überall entdecken. Am südlichen Ende des Kordon befindet sich ein Park, dessen Mittelpunkt die imposante Festungsanlage Çimenlik Kalesi bildet, die 1452 unter Mehmet dem Eroberer erbaut wurde und in der sich auch das Marinekommandomuseum der Dardanellen mit Exponaten rund um die Schlacht von Gallipoli aus dem Ersten Weltkrieg befindet (die Eintrittskarten gelten sowohl für das Museum als auch für die Festung). Um die Burg im richtigen geografischen und historischen Kontext betrachten zu können, sollte man wissen, dass sich auf der gegenüberliegenden Seite der Dardanellen die imposante Festung von Kilitbahir befindet. Sultan Mehmet ließ diese im Jahr 1463 errichten – Kilitbahir bedeutet soviel wie „Seeschleuse“ – und nach der Fertigstellung beider Festungen war die Meerenge an ihrer engsten Stelle komplett unter türkischer Kontrolle.

Gallipoli

Jahrhunderte später erwies sich die Westseite der Dardanellen als entscheidend für die moderne Militärgeschichte: Gallipoli. Die Schlacht von Gallipoli im Ersten Weltkrieg begann im Februar 1915 mit einem gescheiterten Versuch der alliierten Marinekommandos, die osmanischen türkischen Festungen in den Dardanellen anzugreifen. Nach mehreren Monaten zermürbender Grabenkämpfe endete sie schließlich im Januar 1916. Zu diesem Zeitpunkt waren auf beiden Seiten ungefähr 250.000 Opfer zu beklagen. Während die Niederlage der Entente-Mächte in Gallipoli und der vergebliche Versuch, die Sackgasse an der Westfront zu durchbrechen, den Sieg der Osmanen bedeuteten, sollten die hier geführten Kriegshandlungen in ihrem gesamten Umfang und in ihrem Ausmaß den Lauf der Geschichte nachhaltig verändern, nicht zuletzt für die osmanische Armee, deren Kommandeur in Gallipoli schließlich zum ersten Präsident der Türkei wurde: Mustafa Kemal Atatürk.

Jan Morris, die große walisische Historikerin, schrieb: „Alles, was im Zusammenhang mit Gallipoli stand, hatte sich verschworen und dieser Fluch der tragischen Noblesse lastete schwer auf den Männern. Die Halbinsel selbst war verflucht, doch nicht von Geistern wurde sie heimgesucht, sondern von deren Abwesenheit. Es war ein dürrer, verlassener Ort … seine Hügel, von deren Gipfeln man die Meerenge auf einer Seite und die Ägäis auf der anderen sehen konnte, waren von duftendem Buschwerk bedeckt; da lag es karg und aromatisch, ein Land hoch über der See voller Wasserfurchen und Schluchten. Im Sommer konnte es wunderschön sein: die stille Meerenge unten, das tiefe Blau der Ägäis mit ihren Inseln … in Sichtweite über dem Wasser ragte der Berg von Troja mit seinen Erinnerungen an seine großen Tage auf. Unten lagen die Dardanellen, die so viele Krieger, Könige und Pilger im Laufe der Jahrhunderte passierten.“

Ein Besuch im historischen Nationalpark der Halbinsel Gallipoli (Gelibolu) ist wirklich ein Erlebnis, das Sie so schnell nicht vergessen werden. In seinem Herzen befindet sich das Märtyrerdenkmal von Çanakkale am südlichen Ende der Halbinsel. Das fast 42 Meter hohe Denkmal ist den türkischen Soldaten gewidmet, die im Kampf ihr Leben ließen oder verletzt wurden. Die Gräber von 59.408 identifizierten türkischen Soldaten befinden sich in unmittelbarer Nähe. In der Bucht Anzak Koyu landeten am 25. April 1915 in nur zwei Stunden rund 4.000 australische und neuseeländische Soldaten (Anzac ist eine Abkürzung für „Australian and New Zealand Army Corps“). An die Anzac-Soldaten, die in der Battle of Lone Pine (Schlacht an der Einsamen Pinie) fielen, wird auf dem Lone Pine Cemetery (Friedhof Einsame Pinie) erinnert. Weitere berühmte Sehenswürdigkeiten: Sie können das Plugge‘s Plateau besuchen, wo Sie noch immer die Grabenlinien am Weg sehen können, dann den Beach Cemetery (Strandfriedhof), Hell Spit (Auswurf der Hölle), das Shrapnel Valley (Schrapnell-Tal), Brighton Beach (Strand von Brighton) und Quinn‘s Post (Quinns Posten). Das Denkmal für das 57. Infanterieregiment ist ein bedeutendes türkisches Kriegsdenkmal und das 1925 errichtete Chungb-Bair-Denkmal erinnert an Neuseelands Soldaten, die den alliierten Mächten hier im August 1915 einen flüchtigen Erfolg bescherten.

Troja und Assos

Çanakkale ist auch der perfekte Ausgangspunkt für Erkundungstouren zu einem weiteren, in der Vergangenheit heiß umkämpften Ort: Troja. Wie in Homers Ilias berichtet wird, war die bronzezeitliche Stadt Troja der Ort, an dem sich Prinz Paris, der Sohn des trojanischen Königs Priamos, mit der schönen Helena, die eigentlich mit König Menelaos von Sparta verheiratet war, verschanzte. Das löste schließlich den Trojanischen Krieg aus. Troja wurde in der Antike neunmal zerstört und wiederaufgebaut, bevor es 1870 vom deutschen Archäologen Heinrich Schliemann wiederentdeckt wurde. Das neue Troja-Museum, das vom Kulturanthropologen Deniz Ünsal als „dreidimensionaler Reiseführer“ beschrieben wird, beherbergt auf seiner beeindruckenden Ausstellungsfläche 2.000 Exponate, während sich die antike Stadt Troja selbst auf dem Hisarlik-Hügel südlich der Einfahrt zu den Dardanellen befindet. Die Akropolis von Assos, einst als Apollonia bekannt, befindet sich südlich von Troja und bietet mit ihrer Lage von etwa 250 Metern über der Stadt Behramkale eine atemberaubende Aussicht auf die schimmernde Bucht von Edremit. Ihre Wurzeln reichen zurück bis in das Jahr 1000 v. Chr., als es von äolischen Kolonisten gegründet wurde, die von der griechischen Insel Lesbos hierherkamen. Sie können hier die Ruinen eines alten Theaters sowie den eindrucksvollen Tempel der Athene sehen – beide Orte bieten eine spektakuläre Aussicht über die tiefblaue Ägäis.